Am Ende feiern die Fans Torhüter Janne Juvonen. Er wird Ambri nach dieser Saison verlassen. 96,43 Prozent der Pucks hat er pariert und den Sieg (2:1) gegen die Lakers «gestohlen». Sportdirektor Paolo Duca wird es mit Wohlgefallen registriert haben: Die Verpflichtung des Finnen in der letzten Phase der Qualifikation 2021/22 war also doch kein Fehltransfer.
Nun etwas Theorie. Wen das nicht interessiert, möge diesen Abschnitt überspringen. Das 2:1 im Play-In-Hinspiel gegen die Lakers ist das seltsame Resultat in einer seltsamen Partie und eines seltsamen Modus. Normalerweise ersetzt der Coach in der Schlussphase den Goalie durch einen sechsten Feldspieler. Um mit Macht den Ausgleich anzustreben. Aber klugerweise hat Johan Lundskog darauf verzichtet: Er hätte einen dritten Gegentreffer riskiert, der die Chancen im Rückspiel erheblich schmälern würde. Die Tore zählen. Gewinnen die Lakers am morgigen Donnerstagabend mit mehr als einem Tor Differenz, sind sie weiter. Gewinnen sie mit einem Tor, kommt es zur Verlängerung. Im Falle eines Unentschiedens nach 60 Minuten ist Ambri weiter. Aber noch nicht in den echten Playoffs. Eine zweite Runde nach dem gleichen Modus ist gegen den Verlierer aus dem Duell Langnau gegen Kloten zu überstehen.
So viel zur Theorie. Ob Ambri die Playoffs schafft oder nicht, ist nicht mehr so wichtig. Die Saison geht als eine gelungene in die Geschichte ein: Das Play-In erreicht und – das ist noch wichtiger – besser als Lugano. Wir sind besser als Lugano, also sind wir. Das war, das ist und das bleibt im Rückblick auf eine Saison stets das Mass aller Dinge.
Der Sportdirektor muss als Stratege über den Tag hinausdenken, planen und handeln. Eine grosse Last ist Paolo Duca bereits von den Schultern genommen und das ist ihm anzusehen: Er wirkt besser gelaunt, lebhafter und gesprächiger als sonst um die gleiche Jahreszeit. Vor zwei Jahren war nicht einmal sicher, ob Luca Cereda nach einer aufwühlenden Saison mit Krisen und Triumphen (Spengler Cup-Sieg), nach der Pandemie, nach dem Umzug ins neue Stadion weitermachen würde. Er war nahe an einem Burnout. Auch Paolo Duca schien einer beruflichen Erschöpfung nahe. Erst nach langen Gesprächen im Frühjahr 2023 einigten sich die beiden: Wir machen weiter.
Von solcher Dramatik ist heute nichts mehr zu spüren. Paolo Duca sagt: «Ja klar, wir machen weiter.» Die nächste wird die 9. Saison sein. Eine biblische Amtsdauer für den Sportchef und den Trainer. Beide haben in Ambri keine in diesem Geschäft üblichen Zeitverträge, die bei einer Entlassung eine schöne Abfindung garantieren. Sie sind gewöhnliche Angestellte mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Ein Wechsel ist also in jedem Frühjahr denk- und machbar.
Ein zentrales Problem für die kommende Saison hat Paolo Duca längst gelöst: Gilles Senn und Philip Wüthrich (er kommt von Bern) besetzen die Goalieposition. Der nächste Schritt ist nun die Rekrutierung des ausländischen Personals.
Während andere Klubs so früh wie möglich ihre Ausländer unter Vertrag nehmen, manchmal noch während der laufenden Spielzeit für die nächste Saison – wie Lausanne, das bereits Liga-Topskorer Austin Czarnik vom SCB unter Vertrag hat oder wie der SCB, der soeben aus Kloten Miro Aaltonen holte und bereits einsetzt – wartet Ambris Sportdirektor ab. Er hat erst drei von sechs Ausländerlizenzen vergeben: Für die beiden Verteidiger Tim Heed (Vertrag bis 2027) und Jesse Virtanen (bis 2028) sowie für Stürmer Chris DiDomenico (bis Ende der nächsten Saison).
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Paolo Duca sagt: «Zuwarten kann sich lohnen. Es ergeben sich oft unerwartete Möglichkeiten.» Wo er recht hat, da hat er recht: Erst Anfang September konnte er Dominik Kubalik nach Ambri zurückholen und der Tscheche war nun bester Torschütze der Liga.
Die Frage nun natürlich: Gibt es eine Chance, dass Dominik Kubalik verlängert? Die Frage erübrigt sich. Paolo Duca erklärt die Situation so: «Es macht keinen Sinn, ihn jeden Tag zu fragen. Er weiss, was er bei uns hat, und nimmt sich Zeit für die Entscheidung.»
Es gibt drei Optionen für den Weltmeister: Rückkehr nach Tschechien, ein Wechsel für viel Geld innerhalb der Liga (nicht nur SCB-Obersportchef Martin Plüss bemüht sich) oder ein neuer, vielleicht letzter Anlauf Richtung NHL. Er wird im August 30. Das würde heissen: Warten auf ein Angebot aus Nordamerika – und die Wartezeit in Ambri verbringen. Mit einem Vertrag mit NHL-Ausstiegsklausel bis Dezember wie diese Saison.
Das Warten auf die Antwort von Dominik Kubalik ist eigentlich noch spannender als die Frage, ob Ambri die Playoffs schafft.
Paolo Duca hofft, dass das Warten auf Dominik Kubaliks Antwort nicht zu einer Eishockey-Version des Stückes «Das Warten auf Godot» wird. Die Hauptfiguren in diesem berühmten Klassiker sind die beiden Landstreicher Estragon und Wladimir sowie Pozzo und sein Diener Lucky.
Die Herren verbringen ihre Zeit damit, auf eine Person namens Godot zu warten. Am Ende eines jeden Aktes in diesem Theater erscheint ein Junge, der verkündet, dass sich Godots Ankunft weiter verzögert. Spätestens dann keimen bei den Wartenden Zweifel auf, doch können sie sich trotzdem nicht mehr aus der Situation befreien. Dies drückt sich im Theaterstück in einem mehrfach wiederkehrenden Dialog aus.
Was sich bei Ambri mit Luca Cereda und Paolo Duca ungefähr so anhören würde:
«Warten auf Godot» (bzw. «Warten auf Kubaliks Antwort»): Das Stück von Samuel Beckett passt wunderbar zur Situation von Ambri. Der irische Literatur-Nobelpreisträger ist ja auch durch den Sport zu seinem wohl berühmtesten Werk inspiriert worden. Als er am Strassenrand auf die Fahrer der Tour de France wartete. Irgendwie müsste man es bei der Ambri-Version schaffen, auch noch eine Rolle für den grossen Vorsitzenden Filippo Lombardi zu finden …
Übrigens: Godot erscheint im Theaterstück bis zuletzt nicht. Das Warten auf ihn ist vergeblich und macht die Beteiligten zu sympathischen Witzfiguren.